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Appell gegen die Sagrotanlandschaft

Unter dem Titel „Landwirtschaft und Artenschutz - geht das?“ hatte der Landschaftspflegeverband den Referenten Werner Kuhn aus Güntersleben eingeladen. Da der Vortrag auf große Zustimmung stieß, hielt Kuhn seinen Vortrag nun noch vor dem Kreistag. Der Landwirt, Jäger und Naturschützer hat jahrelange Erfahrung mit der Anlage und Pflege von Blühflächen und überzeugte mit einem fundierten Vortrag mit vielen Beispielen, Vorschlägen und auch unbequemen Wahrheiten.

„Unsere Landschaft entsteht nicht aus den Nichts, sondern aus der Nutzung“, führte der Referent die Zuhörer zum Thema hin. Doch die Nutzung der Landschaft habe sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv verändert, „wachsen oder weichen“ sei die Devise. In der Landwirtschaft gehe es nicht mehr um die Ernährung der Familie sondern um die höchste Pacht. Er erinnerte an die ersten Programme zur freiwilligen Flächenstilllegung 1988 und den Beginn der obligatorischen Flächenstilllegung Anfang der 1990er Jahre, als es noch gar nicht um Insekten, sondern um Feldvögel oder Niederwild ging.

Heute, so kommentierte es der Referent, gebe es einen wahren „Blühflächen-Tsunami“, der uns nicht viel weiterbringen werde. Auch hier gehe es vielmehr um ein ganzheitliches Verständnis für Natur und Landschaft. Die Feldflur gleiche heute einer „Sagrotanlandschaft“, nicht umsonst spreche man von „Feldrandhygiene“, alles müsse sauber und ordentlich aussehen. „Landwirte und Bauhöfe sind hier im Zwiespalt“, erklärte Kuhn, denn „werden Gräben nicht gemäht, kommen garantiert Anrufe von Bürgern, die sich über die Unordnung beschweren.“

Schwarzbrachestreifen, offene trockene Bereiche mit einer schütteren lockeren Struktur, würden den Nerv vieler Arten treffen. Denn offener, besonnter Boden fördere die Artenvielfalt. Wo Sonne auf den Boden gelangen kann, finden Insekten, Vögel und andere Lebewesen geeignete Brut- und Jagdlebensräume vor. Auch Lichtkeimer, also Pflanzen, die zum Keimen direkte Sonneneinstrahlung brauchen, wie viele Ackerwildkräuter (wie Ackerrittersporn, Kornblume oder Sommeradonisröschen), tauchen auf solchen Brachflächen nach Jahrzehnten plötzlich wieder auf und bereichern mit ihren Blüten und Samenständen das Nahrungsangebot in der Agrarlandschaft.

Werner Kuhn plädierte auch für eine Wende in der Agrarpolitik. Er nahm seine Berufskollegen in Schutz und prangerte eine teilweise verfehlte Förderpolitik und dem Artenschutz abträgliche Maßnahmen wie das Mulchen von Greening- und Brachflächen zu festen Terminen an. Wollen die Landwirten die Fördergelder für die Anlage von zum Beispiel Winterbegrünung erhalten, müssten sie die Flächen bis Ende Februar abgemulcht haben. Ein aus Sicht von Jägern und Naturschützern sinnloser Termin, da mit dieser Maßnahme die letzten Zufluchtsorte und natürlichen Nahrungsquellen für Wild und Feldvögeln in der Landschaft auch noch beseitigt werden. Es brauche ganzheitliche Konzepte und eine gezielte Förderung der Landwirtschaft, denn „ich kann auch als Landwirt Artenschutz produzieren“. Das Wissen sei vorhanden, es werde aber nicht umgesetzt.