Die räumliche Neuordnung Bayerns

In ganz West-Deutschland kam es ab den Sechzigern zu Gebietsreformen. Der Freistaat Bayern ging dabei seinen eigenen Weg

Landrat Dr. Rolf Bauer zeigte 1974 auf das Gebiet des neuen Landkreises.

Landrat Dr. Rolf Bauer zeigte 1974 auf das Gebiet des neuen Landkreises.

Die räumliche Neuordnung Bayerns

In ganz West-Deutschland kam es ab den Sechzigern zu Gebietsreformen. Der Freistaat Bayern ging dabei seinen eigenen Weg

Zu Gebietsreformen kam es in allen westdeutschen Staaten in unterschiedlicher Ausprägung. Seit Mitte der sechziger Jahre bemühte man sich auch in Bayern um eine Gebiets- und Gemeindereform. Treibende Ideen hinter dem Raumordnungsgesetz, das die Reformen in Gang brachte, waren die Vereinfachung der Verwaltung und das „System der zentralen Orte“, das in den 1930er Jahren entwickelt worden war. Ihm zufolge sollten alle deutschen Ortschaften entsprechend ihrer wirtschaftlichen und infrastrukturellen Austattung in „führende und folgende Siedlungseinheiten“ gegliedert werden. Diesen Weg ging man nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik weiter. Ministerpräsident Alfons Goppel setzte 1967 ein Gremium ein, das über die Ausgestaltung beraten sollte. Innenminister Dr. Bruno Merk, auch bekannt als „Vater der Gebietsreform“, arbeitete parallel mit einer Arbeitsgruppe zur Kommunalverwaltung die konkreten Pläne aus. Die Gründe für eine Reform lagen, mit Blick auf Bayern, auf der Hand: Die Lebensverhältnisse und -ansichten, vor allem auf dem Land, hatten sich nach dem Zweiten Weltkrieg grundlegend gewandelt. Eine Landflucht zeichnete sich ab. Es bedurfte einer effizienteren Verwaltungsstruktur, um die umfangreicher werdenden Aufgaben der Kommunen auch künftig zu stemmen. Kleine Landkreise und Gemeinden wären dieser Entwicklung finanziell nicht gewachsen gewesen. Zudem wollte man die Selbstverwaltung und die Infrastruktur vor Ort verbessern, um die Attraktivität für die Einwohner zu erhöhen. Ein erster Schritt wurde 1969 mit der Gemeindefinanzreform getan, die die Kommunalhaushalte auf eine solidere Grundlage stellte und der Gebiets- und Gemeindereform vorausging.

„Unterfranken ist noch einmal davongekommen“: Das Bild zeigt die Neugliederung der Landkreise; Ausschnitt aus der „Main-Post“ vom 10. November 1971.

Die Eckpunkte der Reform Um die eigentliche Reform möglichst einfach umzusetzen, gab man nur wenige Eckpunkte vor. Entscheidend war vor allem die Einwohnerzahl. Landkreise sollten nicht weniger als 80.000 Einwohner umfassen, bei den kreisfreien Städten legte man die Grenze auf mindestens 25.000 Personen fest, bei Gemeinden auf 5000 und bei Mitgliedsgemeinschaften von Verwaltungsgemeinschaften auf 1000. Weiterhin war es den Reformern ein Anliegen, die Wege kurz zu halten. Jedem Bewohner eines Landkreises sollte es möglich sein, das Landratsamt mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb eines halben Tages zu erreichen. Unerlässlich war es zudem, dass neu zu schaffende Gemeinden so groß waren, dass sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben personell und finanziell gut stemmen konnten. Die Gebietsreform sollte bis zur Kommunalwahl 1972 umgesetzt werden, die sich komplexer gestaltende Gemeindereform in den Jahren danach. Positive und negative Folgen Im November 1971 beschloss der Bayerische Landtag die Reformen, im Dezember trat die Verordnung in Kraft. Am 1. Juli 1972 reduzierte sich die Zahl der Landkreise über Nacht von 143 auf 71, die Zahl der kreisfreien Städte von 48 auf 25. Ehemals kreisfreie Städte wurde als „Große Kreisstädte“ neu in die bayerische Kommunallandschaft eingeführt. Schluss­endlich stärkten die Reformen die Leistungskraft der meisten Gemeinden – abgesehen von ehemals selbstständigen Ortschaften, die zu Gemeindeteilen herabgestuft wurden. Deren Einwohner entfernten sich von ihren politischen Entscheidungsträgern und verloren Partizipationsmöglichkeiten, was ja gerade das Ziel der Reformen war. Als letztes Bundesland schloss Bayern die Gebietsreform ab. Zum Ende der Reform am 1. Mai 1978 gab es im Freistaat statt einst 7073 nur noch 2052 Gemeinden. Davon waren 25 kreisfreie Städte, 740 kreisangehörige Gemeinden und 1287 Mitgliedsgemeinden in 393 Verwaltungsgemeinschaften. Damit hatte Bayern im Vergleich mit anderen Ländern der alten Bundes­republik die meisten Gemeinden aufgegeben.

Alfons Goppel (links), damaliger Ministerpräsident von Bayern, und sein Innenminister Dr. Bruno Merk (rechts), der „Vater der Gebietsreform“.