„In Volkach hat man zur besseren Information der Gäste, die in den Sommermonaten hier weilen, Informationstafeln anbringen lassen.“ Ausschnitt aus der „Kitzinger Post“ vom 29. Juli 1972. Foto: Repro Main-Post

Touristenmagnet Wein

Nach der Gebietsreform lag die Hälfte der fränkischen Weinbauflächen im Landkreis Kitzingen. Mit der Schaffung des „Weinlandkreises“ entstand auch der moderne Weintourismus

Der Landkreis Kitzingen war nach der Reform zum „Weinlandkreis“ geworden: Die Hälfte der Rebflächen des fränkischen Anbaugebiets findet sich hier. Den Weintourismus als Alleinstellungsmerkmal begriffen die Verantwortlichen im Kreistag frühzeitig als Wirtschaftsfaktor. Lokale Verkehrsvereine in den einzelnen Gemeinden arbeiteten fortan zusammen und bündelten ihre Kräfte. Die Orte entdeckten die „Vermarktung“ als unerlässliche Voraussetzung, um in Zukunft stärker zu prosperieren. In Volkach entstand deshalb 1976 die erste Tourist-Info des Landkreises. Die Tourismussaison wurde überall ausgedehnt, Restaurants und Hotels erzielten immer höhere Auslastungen. Schon im ersten Jahr nach der Gebietsreform konnte mit 24,7 Millionen D-Mark in der Gastronomie- und Hotellerie-Branche ein Rekordumsatz verzeichnet werden. Auch die Infrastruktur, etwa Schwimmbäder und sonstige Erholungsorte, profitierten vom neuen Fremdenverkehr. Zugute kam dem Landkreis dabei seine zentrale Lage zwischen den bereits etablierten Tourismuszielen Rothenburg, Würzburg, Bamberg, Nürnberg oder Vierzehnheiligen. In Kitzingen und seinem Umland wurden die Weinfeste zu Touristenmagneten und lockten immer mehr Besucher an. Bis heute prägt der Weintourismus den Landkreis Kitzingen entscheidend mit und trägt zu seiner großen Attraktivität bei.

Ausschnitt aus der „Kitzinger Post“ vom 15. Dezember 1972.

Zeitenwende

Die Gebietsreform setzte den Schlusspunkt einer Epoche des Fortschritts und der Umbrüche

Die Gebietsreform passte in eine Zeit, in der auf allen Ebenen Veränderungen vor sich gingen. In vielen Bereichen des täglichen Lebens wurden Zäsuren gesetzt, oft mit wenig Rücksicht auf historische, räumliche und soziale Zusammenhänge und Strukturen. Landwirtschaft im Umbruch In der Landwirtschaft etwa bestimmte die Flurbereinigung das Geschehen. Ziel war es, durch Neueinteilung und Zusammenlegung von zersplittertem land- und forstwirtschaftlichem Grundbesitz größere und damit effektiver nutzbare Flächen zu schaffen. Es gibt nur wenige Orte im Landkreis, an denen diese Reform folgenlos vorbeiging. Am Nordhang der Mainschleife bei Volkach zum Beispiel sind kleinteilige Ackerparzellen erhalten geblieben, die ein Bild von der alten Zeit vermitteln. Ansonsten wurden praktisch überall die Flächen neu abgesteckt – mit teilweise massiven baulichen Eingriffen ins Landschaftsbild. Ein Blick in die Weinberge mit ihren in jener Zeit neu angelegten Kanälen und Straßen genügt. Gerade im Weinbau hatte dieser Umbruch aber auch positive Folgen: So stiegen die Erträge von 25 auf 70 Hektoliter je Hektar, zugleich sank der Arbeitsaufwand um mehr als die Hälfte. Motorisierung schreitet voran Die vergrößerten Anbauflächen ermöglichten den Einsatz moderner Maschinen. Wurden 1953 im Landkreis noch 1848 Pferde auf Feldern eingesetzt, waren es 1970 nur noch 146. Im selben Zeitraum nahm hingegen die Anzahl motorisierter Zugmaschinen rapide zu. 1950 waren 73 Maschinen registriert, nur zwanzig Jahre später waren es mit 3345 Stück mehr als 45-mal so viele. Nicht nur auf den Feldwegen, auch auf den geteerten Straßen nahm der Verkehr zu. Immer mehr Automobile zeugten von der modernen Zeit. Die Kitzinger Region entwickelte sich zu einem überregional bedeutenden Verkehrsknotenpunkt, unter anderem mit dem Ausbau der A3, die quer durch den Landkreis verläuft. Das ehemals dichte Bahnstreckennetz hingegen wurde ab dem Ende der sechziger Jahre ausgedünnt. So etwa 1960 der Personenverkehr auf den Nebenstrecken „Dettelbach Bahnhof“ bis „Dettelbach Stadt“ oder die Verbindung Seligenstadt–Escherndorf–Volkach im Jahr 1968. Ausbau der Infrastruktur Architektonisch war die Nachkriegszeit geprägt von zahlreichen Gebäuden, die bis heute zum Diskurs anregen. Kitzingen musste an vielen Stellen wieder aufgebaut werden, meist im Stil der Zeit. Die Neubauten bildeten oft einen Kontrast zur baulichen Umgebung, so wie das 1964 in der Stadt Kitzingen an der Stelle des Kinos „Capitol“ errichtete Warenhaus „Storg“ mit seiner silbernen Platten-Fassade. Auch die bayerische Schullandschaft veränderte sich von Grund auf: Kleine Landschulen wurden aufgelöst, an ihre Stelle traten große Schulverbände. So entstanden viele neue Schulgebäude, etwa das Schulzentrum am Mühlberg mit dem Armin-Knab-Gymnasium, das 1962 eingeweiht wurde.

Bis in die Nachkriegszeit wurden Pferde genutzt. Ausschnitt aus der „Kitzinger Post“ vom 23. Juni 1972.