Blick auf Kitzingen in den 1970er Jahren von Süden aus in Richtung Hohenfeld.

Der lange Weg zur Gemeinschaft

Ein historischer Rückblick auf die behördlichen Entwicklungen und bürgerlichen Widerstände im Kitzinger Land

Die Idee einer Gemeinde als kleinster behördlicher Einheit entstand im Hochmittelalter, bis dahin organisierten sich Wirtschaft und Gesellschaft in sogenannten Hofverbänden. Kitzingen und sein Umland wurden 1804 bayerisch. Die ehemaligen fürstbischöflichen und markgräflichen Ämter wurden zu Landgerichtsorten, die von der Obrigkeit nicht nur Justiz-, sondern auch Verwaltungsbehörden erhielten. Mit dem Gemeindeedikt 1808 und der Gemeindeordnung von 1818 erhielten Gemeinden im Königreich Bayern erstmals das Recht auf eine beschränkte Selbstverwaltung. Die Idee eines Landrats, der einem Kreis vorsteht, übernahm Bayern von der Pfalz, die seit 1816 dem Königreich angehörte. Justiz und Verwaltung wurden getrennt und aus Landgerichten wurden Bezirksämter, Vorläufer der heutigen Landkreise. 1862, genau 110 Jahre vor der Gebietsreform, entstand so auch das Bezirksamt Kitzingen, sein Einzugsbereich umfasste bereits damals, abgesehen von einigen wenigen gemeindlichen Zu- und Abgängen, das Gebiet des alten Landkreises. 1895 gehörtem dem Bezirksamt 163 Orte an, das in drei Verwaltungsdistrikte unterteilt war. Widerstand gegen frühere Reformen Über eine Gebietsreform wurde in Kitzingen schon im 19. Jahrhundert geredet. Der Partikularismus verhinderte jedoch lange Zeit das Zusammenwachsen des bayerischen „Flickerlteppichs“. In einem alten Organisationsplan wurde festgehalten, dass „mehrere, dem gleichen Distrikt angehörige Gemeinden sich einen Bürgermeister wählten und verwaltungsmäßig zusammengehen“. Das Vorhaben scheiterte aber am Widerstand der selbstbewussten Ortschaften und ihrer Einwohner. Sie fürchteten den Verlust der persönlichen Bindung zwischen Bürgermeistern und Bürgern und sahen ihre erlangte Selbstständigkeit bedroht. Indes wurden die Aufgaben, die nur große Gemeinschaften lösen können, zahlreicher und zwangen die Gemeinden von außen, über ihren Kirchturm hinaus zu denken. Der Fortgang der Geschichte tat das Übrige dazu. Die Distrikte, in die die Bezirksämter unterteilt waren, verschwanden nach dem Ersten Weltkrieg. 1939 wurde das „Bezirksamt“ im Deutschen Reich durch den „Kreis“ ersetzt. 1948, wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde der erste Nachkriegs-Kreistag im Landkreis Kitzingen gewählt und nahm seine Arbeit auf. Die Stadt Kitzingen wurde kreisfrei. 1952 wurde eine neue Gemeindeordnung verabschiedet, welche die Möglichkeit vorsah, die Zahl der Gemeinden zu verringern, sofern es das öffentliche Gemeinwohl geböte.

„Nur noch Erinnerungswert hat diese Landkreistafel (...) Die Landkreisgrenze und damit auch die Regierungsbezirksgrenze zwischen Unter- und Mittelfranken ist [sic!] um zehn Kilometer weiter bis an die Gemeindegrenze von Altmannshausen gerückt.“ Auschnitt aus der „Kitzinger Post“ vom 7. Juli 1972.

Die Gebietsreform als tiefe Zäsur Die engen Grenzen führten nicht selten zu Wettbewerb zwischen Nachbarkreisen um öffentliche Einrichtungen. Auch die Kluft zwischen „schwachen“ und „starken“ Kreisen nahm zu. Die Gebiets- und mit ihr die Gemeindereform sollte das ändern. Bis zur Gebietsreform kamen die alten Kreistage in sechs Legislaturperioden zusammen – sowohl in Kitzingen als auch in Scheinfeld, Gerolzhofen und Uffenheim. Ihre Ämter sollten allesamt aufgelöst werden. Für viele Menschen bedeutete das eine tiefe Zäsur. Auch die bevorstehende Rückkreisung Kitzingens wurde von vielen Stadtbewohnern als Rückstufung wahrgenommen. Bis dahin hatte die Stadt eine Sonderrolle eingenommen. Sie unterstand rechts- und fachaufsichtlich unmittelbar der Regierung von Unterfranken. Nun sollte sie als „Große Kreisstadt“ zu einem Teil des Landkreises werden, als „primus inter pares“. Genau das aber war ja beabsichtigt: Die Gebietsreform sollte die Chance eröffnen, nicht nur die Gegensätze zwischen den Landkreisen abzubauen, sondern auch zwischen Stadt und Land.

„Territorialer Flickerlteppich“: Ausschnitt aus der „Kitzinger Post“ vom 18. Februar 1972.

„Konkretes läßt sich (...) noch nicht sagen“: Ausschnitt aus der „Kitzinger Post“ vom 30. März 1972.